WAR SCHÖN. KANN WEG … Alter(n) in der Darstellenden Kunst: Rückblick auf die Buchpräsentation im FFT Düsseldorf
Wie funktioniert Altwerden in der Freien Szene? Kann ich es mir leisten, noch Kunst zu machen, wenn ich Kinder habe? Und irgendwann damit aufzuhören? Was schreiben wir der Freien Szene zu? Ist das Neue immer gleich jung? Und sprechen Junge und Alte im Theater überhaupt noch von denselben Realitäten?
Diese und viele weiteren Fragen beschäftigten die zwei Podiumsrunden "Gekommen, um zu bleiben!" und "Fördern ohne Ende?", die der kulturpolitische Reporter Peter Grabowski sachkundig moderierte. Besonders die förder- und sozialpolitischen Themen standen im Vordergrund. Gleich zu Beginn erinnerte Grabowski an das Kreativitätsdispositiv, von Andreas Reckwitz kritisch als ein "Regime des Neuen" analysiert, dem sich Künstler*innen ständig unterwerfen müssen, um gefördert zu werden. Ein Nachdenken, ob solch eine Projektkultur nachhaltig oder gar alterungsfähig ist, fehle oftmals.
Ulrike Seybold, Geschäftsführerin des Landesbüros Freie Darstellende Künste NRW, forderte ein anderes Tempo für Förderprogramme: "Werden nicht Dinge tiefer, wenn sie Zeit haben, sich zu entwickeln?" Alles, was Prozesse entzerrt, diene der Sache und beinhalte die Chance inneren Reifens. Statt immer neu zu produzieren, sollten beispielsweise auch Wiederaufnahmen möglich sein, die an eine neue Zeit und ein neues Publikum adaptiert werden. Auch Michael Freundt, Geschäftsführer des Dachverbands Tanz Deutschland, plädierte für eine Veränderung der Fördersystematiken und nannte u. a. ein norwegisches Stipendien-System, das Künstler*innen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihrer Karriere für mehrere Jahre fördert. Dr. Andrea Firmenich, Generalsekretärin der Kunststiftung NRW, setzt sich in der Förderpolitik der Stiftung dafür ein, dass solche längerfristigen Entwicklungs- und Spielräume möglich sind, denn "die sogenannte Projektitis ist gefährlich". Der Dialog mit den Künstler*innen sei der Stiftung sehr wichtig. Das "Nachwuchs"-Programm hat sie gleich zu Beginn ihrer Amtszeit für alle Altersgruppen geöffnet.
Dr. Hildegard Kaluza, Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW, konstatierte, dass die junge Generation ganz andere, diskriminierungskritische Perspektiven einfordert, aber auch Honorare und Arbeitsbedingungen anders verhandelt. Der Generationswechsel ist aktuell für viele Hausleitungen ein Problem, da die Jungen die Selbstausbeutung ihrer Vorgänger*innen scheuen. Bei diesem Thema besteht großer Beratungsbedarf, zum Beispiel in Form von moderierten Übergangsphasen, darüber waren sich alle in der Runde einig. Aus Sicht von Kaluza müsse der künstlerische Arbeitsmarkt sich verändern und Künstler*innen sollten sich breiter in die Gesellschaft hineinentwickeln. Es brauche für sie auch gute Arbeitsbedingungen in anderen Feldern, in Unternehmen, in Schulen, im sozialen Bereich. "Die Gesellschaft braucht überall Künstler*innen. Wir verzeichnen einen Rückgang der Religion. Aber Menschen brauchen auch Erfahrungswelten, die über Arbeit und Familie hinausreichen." In Bezug auf die schlechte Altersabsicherung von Künstler*innen sieht Kaluza ein Problem der Künstlersozialkasse: "Wenn man eine Extra-Altersversorgung für Künstler*innen macht, dann müsste sie funktionieren! Das muss auf den Prüfstand!"
Eingeleitet wurde der Abend mit der Lesung des eigens für den Band geschriebenen Dramoletts "Ich bin sicher, ich war schon einmal älter" von Hannah Zufall und Ariane Koch. Der Dialog, den die Schauspieler*innen Bianca Künzel und Patrizia Kubanek vortrugen, verlieh dem Abend die künstlerische Würze.
An der Bar im schönen Foyer des FFT Düsseldorf wurden die Gespräche zwischen Beteiligten und Publikum im Anschluss noch rege fortgesetzt.
Großer Dank an alle Beteiligten!